[sage] Warum ich keine Bandlaufwerke mag
Dieter Braun
dieter.braun.rgbg at gmx.de
Tue Sep 14 22:21:19 CEST 2010
Hallo Benedikt und all die andern,
Am 14.09.2010 13:27, schrieb Benedikt Stockebrand:
> Moin Dieter, Dietz, Florian, Maximilian und restliche Liste,
>
> Dieter Braun<dieter.braun.rgbg at gmx.de> writes:
>
>> Die Herkunft von DDS ist natürlich unbestritten DAT. Ich meine mich aber
>> genauso wie Dietz erinnern zu können, dass zumindest einige Hersteller
>> von DDS-Laufwerken ein - wie es damals (Mitte bis Ende der 90er) genannt
>> wurde - "Read after Write" eingebaut hatten.
> das war bei anderen Bändern (zu der Zeit waren Tandbergs
> SLR/MLR-Laufwerke mein persönlicher Favorit für kleinere Umgebungen)
> auf jeden Fall so, aber bei den Laufwerken, mit denen ich mich damals
> rumgeschlagen habe, war davon zumindest überhaupt nichts zu merken...
So leid es mir tut, aber mit der SLR-Technik habe ich ganz schlechte
Erfahrungen gemacht. Laut Tandberg sollte der Vorteil sein, dass ein
großer Teil der Mechanik vom Laufwerk in das Band gewandert ist. Ich
habe das eher als Nachteil empfunden: Ein Laufwerk lässt mensch nicht so
schnell fallen, ein Band fällt aber schon hin und wieder mal vom Tisch -
oder woanders runter. Und mit den SLR-Bändern war das genauso wie mit
damaligen Festplatten: Sie waren danach meistens hin. Da waren sogar
DDS-Bänder unempfindlicher - wohl aufgrund ihrer geringen Masse.
Auch habe ich immer wieder schwarze Staubablagerungen an den
SLR-Laufwerken und auch an den Bändern feststellen müssen - fast schon
wie im Ruhrgebiet zu den besten Zeiten der Kohleförderung - und der
Serverraum war wirklich sauber. In einem Extremfall ist das mit einem
neuen Laufwerk und neuen Bändern schon nach nur einem Jahr aufgetreten.
Da wir mehrere dieser Laufwerke hatten, musst ich mir öfter mal nach dem
Wechseln der Bänder die Hände waschen. :-)
Mehr als einmal habe ich mir nach etwas umfangreicheren Restores (die in
meiner Laufbahn mit SLR-Bändern übrigens am schlechtesten von allen
bisher eingesetzten Technologien funktioniert haben) fast die Finger an
der heissen Bodenplatte aus Metall verbrannt. Und das ist mit
verbessertem Luftstrom für die Laufwerke leider nicht besser geworden.
Das schlimmste Erlebnis mit einem SLR-Band kann ich nur als eine Art
Anekdote wiedergeben. An einem Nachmittag ist eine sehr wichtige
Maschine durch mehrfaches Versagen innerer Organe gestorben. In der
Maschine war sehr viel Redundanz drin: Redundante Netzteile, alle
Festplatten entweder gespiegelt oder in einem RAID 5, ... Trotzdem ging
nichts mehr - die Maschine war hin - kurz vor ihrem planmäßigen
Austausch. Die Austauschhardware war vor kurzem bestellt worden, aber
noch nicht da. Ich war aber in der glücklichen Lage, dass ich am
Vormittag noch Zeit gehabt hatte, das letzte Vollbackup zu
kontrollieren. Das Backup war vollständig und erfolgreich durchgelaufen
- auf ein SLR-Band.
Ohne diese Maschine konnte die Firma aber nicht weiterarbeiten. Also
schnell irgendwelche andere - glücklicherweise fabrikneue - Hardware
zweckentfremden. Diese Hardware war natürlich völlig unterdimensioniert,
aber besser einen langsamen Server als gar keinen. Blieb noch das
Problem mit dem Plattenplatz. Ausreichend große Festplatten waren nicht
vorhanden. Also was tun nach 18:00 Uhr abends? Natürlich zu einer
Consumerkette, die um diese Zeit noch auf hatte und Festplatten kaufen.
Natürlich war mir klar, dass diese Festplatten nicht für einen
Serverbetrieb vorgesehen sind. Aber da sie ja völlig neu sind, sollten
sie schon zwei oder drei Wochen im 7 x 24-Betrieb aushalten.
[...] Jetzt lasse ich mal ein paar Details, die nur im Nachhinein
amüsant sind, aus, damit's nicht zu lang wird. Nachdem alles
zusammengeschraubt war den Restore angeworfen. Lief ganz gut an,
trotzdem hatte ich ein mulmiges Gefühl, weil ich schon ein paar
schlechte Erfahrungen mit SLR-Bändern hatte. Also bin ich da geblieben
und habe das beobachtet. Es ging alles elendiglich langsam - nicht wegen
des SLR-Laufwerks sondern wegen der anderen Komponenten
(unterdimensioniert, wie schon geschrieben). Aber Stunde um Stunde
wurden die Daten zurückgeschrieben. Am nächsten Morgen um ca. 07:30 Uhr
war der Restore dann fertig. Großes Aufatmen. Das Laufwerk fing an das
Band zurückzuspulen. Und plötzlich nur noch komische Geräusche aus dem
Laufwerk - flatsch, flatsch, flatsch, ... (oder so ähnlich). Es hat eine
Weile gedauert, bis ich das Band aus dem Laufwerk rausbekommen konnte.
Und dann war es völlig klar: Das Band war gerissen.
Ich habe zwar auch den Bandsalat, den Benedikt an anderer Stelle für die
DDS-Bänder geschildert hat, erlebt. Ich habe aber aus diesen verwuselten
Bändern meistens noch was auslesen können. Es war zugegebenermaßen aber
auch eine Gedultsfrage. Aus dem gerissenen SLR-Band konnte ich hingegen
nie wieder was auslesen. Glück gehabt, dass der Restore gerade noch ging.
Es gibt nun wirklich nicht viele Gelegenheiten, bei denen ich bezüglich
IT emotional werde. Aber SLR-Bänder gehören dazu - ich bin froh, dass
ich diese Technologie schon vor einiger Zeit in der Firma, in der ich
beschäftigt bin, abschaffen konnte.
>
>> In http://de.wikipedia.org/wiki/Digital_Data_Storage steht ganz
>> allgemein: "DDS-Laufwerke haben je zwei Lese- und Schreibköpfe,
>> wobei beim Schreiben die Leseköpfe zur Überprüfung der geschriebenen
>> Daten verwendet werden."
> Hmm, das würde heißen, dass die alle in einer Kopftrommel stecken
> müssten. Will ich nicht ausschließen, auch weil Dietz und Du da
> anscheinend ziemlich sicher seid. Es würde mich aber auch nicht
> wundern, wenn das ganze erst bei DDS-2 oder -3 so war und das in der
> Wikipedia nicht so genau angekommen ist.
Wenn ich mich recht erinnere war der Lesekopf erheblich kleiner als der
Schreibkopf. Es interesiert mich aber inzwischen nicht mehr derart, dass
ich da Nachforschungen betreiben würde (siehe letzten Absatz meiner
letzten Mail).
>> Aber im Endeffekt ist die Diskussion über DDS inzwischen akademisch
>> geworden.
> Zum Glück ja; die begrenzte Lebenserwartung der Bänder dürfte
> inzwischen mangels Nachschubmöglichkeiten hoffentlich dazu geführt
> haben, dass die Dinger überall rausgeflogen sind.
Hast du zuverlässige Angaben darüber wie lange z. B. LTO-Bänder halten?
> Andererseits kann man aus der ganzen Geschichte lernen, was dabei
> herauskommt, wenn man Consumer-Produkte aus der Unterhaltungsindustrie
> nimmt und versucht, si zu professionellen IT-Standards und -Produkten
> umzustricken.
Nun, die Unterteilung zwischen Consumer- und Business-Produkten scheint
wohl auch etwas von der eigenen Situation abzuhängen. Vor etwa 15 Jahren
waren die Kunden, die ich betreut habe, vor allen Dingen kleine
Unternehmen oder Organisationen. Es war damals teilweise sehr schwierig,
diese Kunden davon abzubringen, ATA-basierte Laufwerke für ihre
Datensicherung einzusetzten. Ich weiss gar nicht mehr, wie die alle
hießen. Die meisten dieser Laufwerke hatten damals schon eine geringere
Kapazität als die Festplatten. Zudem waren sie so langsam, dass bei
etwas größeren Datenvolumina ein Zeitfenster von einer ganzen Nacht
(arbeitstechnisch) nicht ausgereicht hat, alle Daten aufs Band zu
schreiben. Aber sie waren ganz erheblich billiger als DDS-Laufwerke.
Im Vergleich dazu waren die SCSI-basierten DDS-Laufwerke professionelle
Geräte; und so haben wir sie auch beworben und verkauft. Für diese
kleinen Unternehmen haben sie damals wunderbar funktioniert.
>> Die Kapazitäten von Festplatten sind inzwischen deutlich
>> größer als diejenigen von DDS-Bändern. Das war vor 15 Jahren (oder auch
>> vor 10 Jahren noch nicht in diesem Ausmaß) nicht der Fall.
> Na ja, LTO-5 macht 1.5 TB, IBM's TS1130 immerhin 1 TB. So groß ist
> der Unterschied also bisher noch nicht, es ist eher die langfristige
> Tendenz.
Hier übersiehst du, dass ich mich nur zur DDS-Technologie geäußert habe.
Kann ja mal passieren. 8-)
> Das KO-Kriterium gegen Bänder ist wohl eher der Preis für Laufwerke.
> Die Einstiegskosten bei Bandlaufwerken sind so hoch, dass sie sich in
> kleineren Umgebungen einfach nicht mehr rechnen. Und auch in RZen
> haben Tape Libraries ja nun durch MAIDs erhebliche und berechtigte
> Konkurrenz bekommen -- diese dämlichen Robotermechaniken haben
> wirklich manchmal Nerven gekostet.
>
> Dazu kommt noch, dass sich Festplatten ohne spezielle Software und
> langwieriges Hin- und Herspulen nutzen lassen. Das macht sich auch
> bei den Kosten (für die Software) bemerkbar und vereinfacht außerdem
> die Handhabung und reduziert damit insgesamt tendenziell eventuelle
> Recovery-Zeiten.
ACK
Beste Grüße,
Dieter
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