[sage-ka] Forschungsprojekt mit Hilfe der deutschen SAGE-Community

Florian Laws florian at void.s.bawue.de
Die Apr 10 00:46:50 CEST 2007


On Sun, Apr 08, 2007 at 01:46:13PM +0200, Marc Haber wrote:
> 
> > > Ja, nur solche Dinge wie "Zertifizierungen können einer
> > > Personalabteilung zur Vorauswahl der Bewerber dienen" sind natürlich
> > > richtig. Wobei es IMO nicht richtig ist, nach Zertifizierungen
> > > auszuwählen.
> > 
> > Ich hatte es sogar noch für den Fall von Fachkräfteüberschuss und dem
> > Wunsch nach effizienter Einstellungsverfahren eingeschränkt. Will heißen:
> > es gibt sehr viele qualifizierte (und auch nicht qualifizierte) Bewerber
> > auf eine Stelle und die Firma will sich das Geld / den Aufwand sparen eine
> > kompetente Person einzustellen, um diese zu filtern. Stattdessen verlagert
> > sie die Prüfung der Fachkompetenzen nach außerhalb und drückt den Aufwand
> > den Bewerbern auf.
> 
> Auf die Gefahr hin, sich eine zertifizierte Flachpfeife zu angeln,
> während der hervorragende, aber nicht zertifizierte Fachmann sich ein
> "leider konnten wir uns nicht für Sie entscheiden" einfängt. Gerade
> bei Stellen, bei denen hoher Einarbeitungsaufwand in den Schornstein
> zu schreiben ist, wenn man sich von der zertifizierten Flachpfeife in
> der Probezeit wieder trennen muss, sollte man sich den Auswahlaufwand
> dann schon ggf. selbst machen, z.B. mit modernen Verfahren wie
> Telefoninterviews.


Die Frage ist doch: 
Welche Kriterien (und in welcher Kombination und Gewichtung) sagen 
einigermaßen zuverlässig voraus, ob der Bewerber qualifiziert ist?
Ist ein Zertifikat von Anbieter X ein zuverlässiger Indikator für 
die gewünschte Qualifikation, ist es ein Telefoninterview?
 

Und weiter:
Wie kann man diese Indikatoren effizient bestimmen? 
Bei einigen hundert Bewerbern auf eine Stelle kann man ja schlecht
die Fachabteilung mit allen Telefoninterviews führen lassen, denn
die müssen ja auch noch ihre Arbeit machen, also muss man auslagern,
wenigstens fürs Pre-Screening.

Ist es jetzt besser, der Personalabteilung einen Multiple-Choice-
Fragebogen fürs Telefoninterview in die Hand zu drücken, auf die 
Gefahr hin, dass da so lustige Sachen rauskommen wie mit dem Security 
Researcher bei Apple?
(http://c9c3.blogspot.com/2007/04/apple-computers.html)
Oder testen Zertifizierungsanbieter vielleicht doch gründlicher
als der ahnungslose Telefoninterviewer, so dass wenn nicht die 
False-Negative-, so doch immerhin die False-Positive-Rate gesenkt wird?


Letzlich hat man also einen Tradeoff zwischen Sorgfältigkeit, Kosten
und Geschwindigkeit eines Auswahlverfahrens und die Frage, welches 
Gewicht Zertifizierungen als ein Kriterium in diesem Verfahren haben.
Das ist nicht schwarz-weiß.


> >  Für andere Berufe gibt es ja beispielsweise IHK-Prüfungen
> >  ("Zertifizierungen"), deren Rahmenstoffpläne jedoch auch nicht immer
> >  besonders relevant sind. Wenn man sich als ITler fachlich
> >  weiterbilden will und dies auch bestätigt bekommen möchte, ist das
> >  staatliche Angebot jedenfalls recht dürftig.
> 
> Das stimmt. Aber eine Schulung eines Herstellers absitzen und
> daraufhin eine Multiple-Choice-Prüfung bestehen können auch Leute, die
> in der Praxis nicht in der Lage wären, eine USB-Tastatur an einen
> Windos-PC anzuschliessen.
> 
> Ich hatte letzte Woche eine Herstellerzertifizierung, die:
> 
> - nicht zeitbeschränkt war
> - Hilfsmittel zuließ
> - nach Abschluß der Prüfung die Musterlösung zeigte
> - in der Wiederholung exakt dieselben Fragen noch einmal stellte
> 
> Ich habe selten so eine Zeitverschwendung gesehen.


So einer Zertifizierung dürfte wohl auch nicht all zu hohes Gewicht
in einem Auswahlprozess beigemessen werden.

Bei den "großen" Zertifizierungen ist den Herstellern aber durchaus
daran gelegen, dass sie einen aussagekräftigen Indikator für
Qualifikation darstellen. 
Damit das passiert, muss die Korrelation zwischen bestandenen Prüfungen
und tatsächlicher Qualifikation in der Praxis ausreichend hoch sein,
sonst werden die Recruiter sie nicht als Indikator akzeptieren.
Das können also durchaus Marktmechanismen wirken.

Grüße,

Florian