[sage-ka] Forschungsprojekt mit Hilfe der deutschen SAGE-Community

Torsten Scheck torsten.scheck at gmx.de
Sam Mar 31 22:33:52 CEST 2007


Marc Haber wrote on 03/30/2007 09:34 PM:
[...]
> Kompetenz kann übrigens im Deutschen auch noch "etwas dürfen" bedeuten.

Ja. Das stimmt. Es ist nicht einfach mit den vielen Begriffen. Teilweise
streiten sich die Gelehrten immer noch über Begriffe wie Kompetenz oder
Qualifikation. In meiner Arbeit habe ich ein paar Arbeitsdefinitionen
festgelegt, aber völlig glücklich bin ich nicht damit. Ich könnte zwar mein
Leben weiter der Klärung solcher Fragen opfern, aber ziehe es dann doch vor
 ab Mai wieder öfters zu SAGE-Treffen zu kommen und dergleichen. ;-)


[...]
> Ja, nur solche Dinge wie "Zertifizierungen können einer
> Personalabteilung zur Vorauswahl der Bewerber dienen" sind natürlich
> richtig. Wobei es IMO nicht richtig ist, nach Zertifizierungen
> auszuwählen.

Ich hatte es sogar noch für den Fall von Fachkräfteüberschuss und dem
Wunsch nach effizienter Einstellungsverfahren eingeschränkt. Will heißen:
es gibt sehr viele qualifizierte (und auch nicht qualifizierte) Bewerber
auf eine Stelle und die Firma will sich das Geld / den Aufwand sparen eine
kompetente Person einzustellen, um diese zu filtern. Stattdessen verlagert
sie die Prüfung der Fachkompetenzen nach außerhalb und drückt den Aufwand
den Bewerbern auf. Bei Fachkräftemangel wäre eine Firma gar nicht in der
Position eine Zertifizierung zu verlangen. Gut möglich, dass Firmen im
IT-Bereich auf geraume Zeit nie in dieser starken Position sein werden --
außer im Falle von Berufsanfängern vielleicht.

Die Reaktionen auf der Liste zeigen jedoch wie umstritten dieser Einsatz
von Zertifizierungen ist.


> Das mag vielleicht auf den angloamerikanischen Raum zutreffen, in dem
> es sowas wie eine formale Berufsausbildung außer einem
> Hochschulabschluss nicht gibt und man das deswegen
> privatwirtschaftlich lösen muss; in Deutschland ist es deutlich
> weniger sinnvoll.

Wie ich in der Einleitung der Umfrage schrieb, glaube ich dass wir ein
bisschen mehr dieser privatwirtschaftlichen Losungen in Deutschland
bekommen werden. Unsere Berufsausbildung ist vorbildlich, doch die
Weiterbildung hat noch Lücken. Der vor ein paar Jahren eingeführte
IT-Spezialist geht ja schon ein bisschen in die Richtung. Ich weiß nur
nicht, wer den eigentlich macht. Für andere Berufe gibt es ja
beispielsweise IHK-Prüfungen ("Zertifizierungen"), deren Rahmenstoffpläne
jedoch auch nicht immer besonders relevant sind. Wenn man sich als ITler
fachlich weiterbilden will und dies auch bestätigt bekommen möchte, ist das
staatliche Angebot jedenfalls recht dürftig.


>> Hier geht es wohlgemerkt um eine ideale Zertifizierung, die es
>> möglicherweise überhaupt nicht gibt.
> 
> Die kann es nicht geben, weil es zu viele verschiedene und sich
> widersprechende Hoffnungen und Erwartungen gibt, die verschiedene
> Menschen in verschiedenen Rollen an eine Zertifizierung haben können.
> So steht der Wunsch des Prüflings, möglichst viele Zertifizierungen
> mit trivialen Kenntnissen erlangen zu können, dem Wunsch des
> Arbeitgebers/Auftraggebers entgegen, alleine an einer Liste von
> Zertifizierungen den gewünschten foo-Gott einkaufen zu können.

Mit "ideal" war wirklich nur die in der Umfrage gegebene Definition gemeint
(Relevanz der Z.-Kriterien; Gültigkeit der Prüfung; Unbefangeheit der
Z.-Stelle). Ich habe die betreffende Seite der Umfrage unten eingefügt.

Nur solch eine ideale Zertifizierung ist immun gegen den Druck von
Prüflingen und eigenen Profitinteressen. Die Arbeitgeber sehe ich in diesem
Spannungsfeld als weniger problematisch, da diesen ohnehin an einer
hochwertigen Zertifizierung gelegen ist. Da gibt es höchstens Streit um die
Relevanz der Kriterien (breit/universell gegenüber spezialisiert/sofort
einsetzbar). Diese Probleme gibt es auch in den staatlichen
Bildungsbereichen, die eben auch nicht ideal sind, weil ein völlige
Unbefangenheit nicht gegeben ist. Da gibt es Lehrer, die den Schülern in
Prüfungen helfen, damit der Schulschnitt im Landes-Ranking steigt, etc.

Nur wollte ich diese Aspekte alle vermeiden, weil mir nahegelegt wurde,
dass der Bereich "Educational Measurement" nicht zu den Anforderungen
meines Studienganges passt. ;-)



Ich finde die Diskussionen sehr interessant--graue mich nur vor deren
systematischen Aufarbeitung. ;-)


Gruß,
Torsten



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Definitionen und Erläuterungen

Die untenstehenden Definitionen und Erläuterungen sollen ein gemeinsames
Verständnis des untersuchten Konzepts "Zertifizierung" sicherstellen.

_Zertifizierung_ ist der freiwillige Prozess, bei dem eine
regierungsunabhängige Stelle einer Person einen Leistungsnachweis
(Zertifikat) ausstellt, nachdem deren Fachkompetenzen anhand von frei
verfügbaren, vorbestimmten und standardisierten Kriterien geprüft wurden.
_Fachkompetenzen_ sind hierbei ausdrücklich tätigkeitsorientiert und gehen
wesentlich über bloßes Wissen hinaus.

In dieser Befragung soll der Nutzen idealer IT-Zertifizierungsprogramme
untersucht werden.

_Als ideal gilt hierbei_, wenn der Nachweis für
  * die Relevanz der Zertifizierungskriterien für einen
    Aufgabenbereich,
  * die Zuverlässigkeit und Gültigkeit der Durchführung und Bewertung
    der Zertifizierungsprüfung, und
  * die Unbefangenheit der Zertifizierungsstelle
Ihren Ansprüchen und derer internationaler Standards [1] gerecht wird.

Die nachfolgenden Fragen beziehen sich auf den aus Ihrer Sicht empfundenen
Nutzen der verschiedenen Zertifizierungskomponenten (Kriterien, Prüfung,
Zertifikat) für die jeweiligen Nutznießer (Person, Betrieb, Kunde).

[1]
z.B. ISO/IEC 17024
http://www.love-it-plus.de/service/glossar/#c317
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-- 
Torsten Scheck <torsten.scheck at gmx.de>  Jabber:torsten at i0i0.de
GnuPG 1024D/728E 6696 F43D D622 78F1  F481 45C0 2147 69AB DD54
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